Am 1. April 1914 eröffnet Carl Thiem in Cottbus die "Vereinigten Städtischen und Thiemschen Heilanstalten". Prof. Carl Thiem ist nicht nur Gesundheitspolitiker, er ist vor allem auch ein hervorragender Unfallchirurg. Heutzutage ehrt die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie ihre Besten mit der Thiem-Medaille. Seit 1991 trägt das Klinikum seinen Namen. 

Die ersten Erweiterungsbauten entstehen 1928/29. Während des Zweiten Weltkrieges wird eine Kapazität von 950 Betten erreicht, von denen 460 als Lazarett für die Wehrmacht dienen. Im Februar 1945 bei Luftangriffen zu 90 Prozent zerstört, wird das Krankenhaus bis Ende 1949 in drei Stufen wieder aufgebaut.

Durch die enge Verzahnung von ambulanter und stationärer Betreuung nimmt das Krankenhaus in den folgenden Jahrzehnten eine DDR-typische Entwicklung. Nach der Ernennung zum Bezirkskrankenhaus 1953 spezialisiert sich der klinische Betrieb. Zwischen 1977 und 1983 erfolgen umfangreiche Neubauten. 

Nach der Wende werden zunächst wesentliche Investitionen in moderne Medizintechnik getätigt. Seit 2003 wird ein umfassendes Neubauvorhaben im Gesamtumfang von rund 117 Millionen Euro realisiert – das größte Krankenhausinvestitionsprogramm im Land Brandenburg. Mit dem auf Bundesebene beschlossenen Ausstieg aus dem Braunkohleabbau in der Lausitz werden Finanzmittel für den Aufbau einer staatlichen Medizinische Universität in Cottbus frei. Nach einer dreijährigen Konzeptionsphase gibt der Wissenschaftsrat im Frühjahr 2024 grünes Licht für die Gründung der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem zum 1. Juli desselben Jahres. Das Carl-Thiem-Klinikum Cottbus geht als neues Universitätsklinikum in die Trägerschaft des Landes Brandenburg über.

 

DOKTORARBEIT ÜBER CARL THIEM GEWÜRDIGT DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR UNFALLCHIRURGIE VERGIBT DISSERTATIONS-SONDERPREIS AN DR. MARIO HANKE

Es ist wie ein Ritterschlag für Dr. Mario Hanke, Oberarzt der Klinik für Urologie des Carl-Thiem-Klinikums Cottbus: Seine Doktorarbeit über Carl Thiem ist von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) mit einem Dissertations-Sonderpreis ausgezeichnet worden. Prof. Dr. med. Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGU hat die Arbeit über den Vater der modernen Unfallchirurgie und Namensgeber des Cottbuser Klinikums als herausragend bezeichnet.

Fast drei Jahre lang hat Dr. Mario Hanke an der Dissertation gearbeitet, seinen Urlaub im Archiv der Universität Greifswald verbracht, hier hat Thiem studiert und promoviert. Außerdem haben das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das Brandenburgische Landeshauptarchiv“ und nicht zuletzt das Stadtarchiv Cottbus aussagekräftiges Quellenmaterial geliefert.

„Ich bin schon lange medizin-historisch interessiert. Als ich angefangen habe, mich mit Carl Thiem zu beschäftigen, habe ich festgestellt, dass es nicht viele wissenschaftliche Schriften gibt, die sein Leben würdigen. So entwickelte sich nach und nach das Thema meiner Doktorarbeit“, berichtet Dr. Mario Hanke.

Nach und nach formte sich so das Bild von Carl Thiems beruflichem Werdegang und seinem medizinischen Werk. Thiems Antrieb: die bestmögliche Heilung und eine damit verbundene erfolgreiche Wiedereingliederung unfallverletzter Patienten.

Thiem kam in Cottbus als Zentrum einer Tuchmacherregion zunehmend mit Unfallverletzungen in Berührung, u.a. multiple Armbrüche, wenn etwa ein Arbeiter in die teilweise schlecht gesicherten Webstühle geriet. Viele mussten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation möglichst schnell wieder arbeiten. Thiem erkannte deutlich die Gefahr motorischer Einschränkungen oder gar einer Invalidisierung, wenn eine ungenügende oder gar keine Physiotherapie erfolgte, damals medikomechanische Therapie genannt. Er setzte sich vehement für physiotherapeutische Maßnahmen nach der Erstversorgung eines Unfallverletzten ein. Dazu errichtete er 1890 mit Unterstützung einer Berufsgenossenschaft ein medikomechanisches Institut in Cottbus.

Zweites „Steckenpferd“ Thiems war die fachlich wie auch ethisch einwandfreie unfallärztliche Begutachtung. Hintergrund: Thiem behandelte unfallchirurgische Patienten aus ganz Deutschland, die ihm von Berufsgenossenschaften zugewiesen wurden. Im Rahmen dessen erhielt Thiem die unfallärztlichen Erstgutachten und war überzeugt, darin regelmäßig Fehler zu erkennen, welche zu finanziellen Nachteilen für die unfallverletzen Arbeiter führen konnten. Denn wenn der tatsächliche Grad der Einschränkung infolge des Unfalls nicht richtig erfasst wurde, bekam der Arbeiter weniger Entschädigungszahlungen durch die Berufsgenossenschaft. Thiem forderte, dass Unfallgutachten nur von Kollegen erstellt werden sollten, die auch mit den therapeutischen Maßnahmen ausreichende praktische Erfahrungen hatten. Er stieß dabei auf massiven Widerstand und musste letztlich erkennen, dass er mit dieser Forderung keinen Erfolg hatte. Heute allerdings werden Gutachten - so wie es Thiem forderte - sinnvollerweise nur von Ärzten erstellt, die in ihrem jeweiligen Fachgebiet auch die therapeutischen Verfahren, ob nun konservativ oder operativ, beherrschen. 

„Carl Thiem ist unbestritten eine der bedeutendsten Cottbuser Persönlichkeiten und hat Wegweisendes für die Unfallmedizin erreicht. Insofern war es nahezu überfällig, sein Werk umfassend zu würdigen. Wir sind sehr stolz, dass mit Dr. Hanke ein Kollege aus unserem Haus diesen Ausnahmemediziner und unseren Namensgeber ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hat. Die Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie würdigt nicht nur die Qualität der Doktorarbeit, sondern letztlich das Gesamtwerk Carl Thiems“, so PD Dr. med. habil. Andreas Domagk, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie.

Der Cottbuser Arzt Carl Thiem (1850–1917)

Mario Hanke (Autor)
Buch | Softcover
136 Seiten
2023
Matthiesen (Verlag)
978-3-7868-4113-5 (ISBN)